Gegen die Feinde der Demokratie: Zivilgesellschaft erwacht
Es gibt sie noch, die Zivilgesellschaft. Und sie ist hellwach, wenn es um die Verteidigung der Demokratie geht. Den Beweis haben an den beiden letzten Januar-Wochenenden Hunderttausende Menschen erbracht, die der AfD und anderen Rechtsextremisten eindrucksvoll Paroli boten. Und das nicht nur in Großstädten, sondern auch in vielen kleineren Orten. Anlass ihrer Proteste waren Berichte über ein Geheimtreffen von Rechtsextremisten zur Deportation von Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte. Neben AfD-Vertretern und Anhängern der Identitären Bewegung waren auch Mitglieder der Werte-Union zu dem Treffen in Potsdam erschienen.
Ob Berlin, Hamburg, München, Köln, Leipzig oder Dresden – ja selbst in märkischen Kleinstädten wie Luckenwalde oder Trebbin gingen mehr Menschen als angemeldet auf die Straße. Für viele Beteiligte war es die erste Demonstration in ihrem Leben.
Es war höchste Zeit für die Proteste, denn in den Wochen seit der Jahreswende schien der Aufstieg der in Teilen als rechtsextrem eingeschätzten AfD unaufhaltsam. Hinzu kam eine Verrohung der Sitten. Und es wehte ein heftiger Hauch von Weimar durch die Republik, die plötzlich fragil wirkte. Die Gefahr für die Demokratie ist noch nicht gebannt
In den ersten Wochen des Jahres sind bei Protesten gegen zum Teil unverständliche Etat-Beschlüsse der Ampel rote Linien überschritten worden. Aus Wut über geplante Subventionskürzungen haben Bauern versucht, Wirtschaftsminister Robert Habeck anzugehen und ihn am Verlassen einer Fähre gehindert. Am Ende ging die Polizei mit Reizgas gegen den Mob vor, kehrte das Schiff mit Habeck unverrichteter Dinge um. Auch Galgen mit hängenden Ampeln zeugen nicht vom Respekt für den politischen Gegner.
Grenzen überschritten haben auch CDU-Funktionäre, die in Potsdam an dem Geheimtreffen mit Rechtsextremisten teilgenommen hatten. Es ekelt bei dem Gedanken, dass CDU-Mitglieder mit Nazis kungeln. Das gilt auch für den früheren Finanzsenator Peter Kurth. Der einstige Hoffnungsträger des liberalen CDU-Flügels macht nun Medienberichten zufolge gemeinsame Sache mit Extremisten. Wo bleibt bei den Christdemokraten, die sich sonst so honorig geben, die viel beschworene Brandmauer gegen rechts? Aus unserer Geschichte wissen wir, dass Fantastereien über Remigration gradewegs in Auschwitz enden.
Erfreuliche dagegen ist neben den Protesten, dass ernsthaft über ein Verbot der AfD in Gänze oder in Teilen diskutiert und darüber nachgedacht wird, ob das Verfassungsgericht AfD-Frontleuten wie Alice Weidel oder Björn Höcke gewisse Grundrechte entzieht.
Die Zeit drängt, denn bis zu den Wahlen in den AfD-Hochburgen Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind es nur noch wenige Monate, und im Frühsommer wird auch noch das Europaparlament gewählt. In den ostdeutschen Bundesländern liegt die AfD in den Umfragen vorne. Aber im thüringischen Saale-Orla-Kreis gewann der CDU-Mann Christian Herrgott die Stichwahl um das Amt des Landrats gegen einen AfD-Mann.
Der erste Erfolg der Proteste gegen die AfD darf nicht darüber hinwegtäuschen: Die Gefahr für die Demokratie und die Republik ist noch nicht gebannt.
Volker Warkentin